Nostalgie im alten Hirschen-Theatersaal Auw

1975 wurde  im altehrwürdigen Saal zum letzten Mal Theater gespielt. Heute weiss man nicht mehr genau, warum. Vielleicht waren es Brandvorschriften oder andere Auflagen, die bewirkten, dass die theaterbegeisterten Auwer Turnerinnen und Turner bis 1987 zur nächsten Aufführung in der neuen Mehrzweckhalle warten mussten.
Der Hirschensaal diente eigentlich nur noch als “Grümpelkammer” für das Restaurant Hirschen, bis Hanspeter Küng auf die Idee kam, seinen fünfzigsten Geburtstag in diesem Saal zu feiern. Eine “sanfte” Renovation und Entrümpelung fanden in der Folge statt – und siehe da – der Hirschensaal präsentierte sich wieder in alter Frische.

Weisch no?” – Eine Stammtischidee
Die Idee für ein paar nostalgische Nutzungen des wieder hergerichteten Saals kam von den Hirschen-Wirtsleuten Anita und Hanspeter Küng-Bütler. Schnell bildete sich ein OK, das Feuer und Flamme war für eine Renaissance des Theaterspiels im alten Hirschensaal. Und so trafen sich am Sonntag, 18. September 2016 viele Nostalgiker und füllten die historische Stätte bis auf den letzten Platz.

Ein abwechslungsreiches Programm wurde durch Hans Burkard präsentiert, der erklärend durch die verschiedenen Programmpunkte des Anlasses führte. Orientierungen, Power-Point-Präsentationen mit alten Bildern aus Auw, die “Ah” und “Oh” hervorriefen, kleine Sketches und Theaterszenen, Lieder, die alle mitsangen, unterbrochen jeweils durch ein dreigängiges Menü aus der Hirschenküche liess die Zeit sehr schnell vergehen.

Kultstätte Hirschensaal
Da in Auw keine Gebäude für Vereinsaktivitäten zur Verfügung standen, wurde der Anfang der 1880er-Jahre erbaute Hirschensaal schnell zum Übungslokal für die Dorfmusik, zum Probelokal der Turner, zum Speisesaal fürs Militär. Auch verschiedene Verbände nutzten den Saal, nicht zu vergessen die Chilbi und der legendäre Hirschen-Maskenball. Jahreshöhepunkt bildete aber jeweils die Theateraufführung von Turnverein, Musikverein und Kirchenchor. Die schauspielerischen Hochleistungen der Auwer waren bald über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt, auch dank dem legendären Regisseur August Burkard.
Vom Theatersaal führte eine Passerelle zum Hirschensaal, die drei Funktionen erfüllte: Zugang zum Maskenbildner Alois “Möggu“, Zugang zu den Umkleideräumen für die Spieler und nicht zuletzt einen direkten Zugang zum Heustock in der Scheune. Dort wurden noch einige Szenen nachgespielt, worüber des Sängers Höflichkeit schweigt. Es ist schwer abzuschätzen, wieviele spätere Partner ihre Initialzündung im Hirschensaal bekommen haben!
Im 2. Weltkrieg nahm die Schweiz circa 20’000 polnische Soldaten auf. Diese wurden auf verschiedene Orte der Schweiz aufgeteilt, so auch in den Hirschensaal in Auw. Viele dieser Immigranten fanden Arbeit bei den hiesigen Bauern und waren tüchtige Arbeiter. Die schwarzhaarigen Polen waren auch für die Damenwelt eine Augenweide, da die jungen Männer ja an der Grenze Aktivdienst leisteten! Die Armee musste sogar eingreifen und ein Heiratsverbot erlassen. Diese nostalgischen Reminiszenzen stammten von Köbi Bütler.

Noch einmal Theater spielen
Was früher mit langen Proben und ernster Miene eingeübt wurde, kam am Nostalgietreffen mit spielerischer Leichtigkeit daher. Bruno Bütler, der ehemalige Polizist, machte mit seinem “Billigen Jakob” den Anfang. Diese Textsicherheit, diese Stärke im Ausdruck liess die jüngeren Teilnehmer nur erahnen, wie dominant er an den früheren Theateraufführungen war. Eine Spitzenleistung. Später glänzte er noch mit Sketch “Cola Sprudel”, das die Lacher ebenfalls auf seine Seite zog. Rosmarie Bütler und Nina Stecher zeigten ihre immer noch vorhandene Theaterkunst ebenfalls mit dem Kleintheater “s’Buure Foifi“.
Herrlich die Turnstunde der “alten Turner”, die von Oberturner Lukas Bütler geleitet wurde. Die Männerriegler mit Schnauz rissen zu Lachstürmen hin und trugen zur fantastischen Stimmung im Hirschensaal bei.

Hirschenwirtin Anita Küng-Bütler verriet, dass eventuell noch weitere Abschiedpartys für den Hirschensaal stattfinden werden. So zum Beispiel ein Oktoberfest oder eine Schlagerparty. Selbstverständlich alles zu Ehren des altehrwürdigen Hirschensaales, der den Auwern so ans Herz gewachsen ist, dass sie ihn ungern hergeben. Was für eine Sympathiekundgebung für eine leider verschwindende Zeit.